FMedG: Breite Ablehnung aus der Kirche
Scharfe Kritik am Entwurf für ein neues Fortpflanzungsmedizingesetz haben mehrere Bischöfe, Fachleute und Organisationen aus dem Bereich der katholischen Kirche geäußert. Kardinal Christoph Schönborn und die Bischöfe Klaus Küng, Egon Kapellari und Stephan Turnovszky bemängelten in Stellungnahmen den Inhalt des Gesetzes und die Fristsetzung bei der Begutachtung ebenso wie die Katholische Aktion, das kirchliche IMABE-Institut, der Katholische Familienverband und die überkonfessionelle "Aktion Leben". Tenor dabei: Rechte der Kinder würden verletzt, Risiken für Frauen ignoriert, eine fundierte Auseinandersetzung unmöglich gemacht.
Würde die Gesetzesvorlage der Regierung im Parlament beschlossen, wäre dies ein "Dammbruch", warnte der in der Österreichischen Bischofskonferenz für Ehe und Familie zuständige St. Pöltner Bischof Klaus Küng am 14. November in seiner Reaktion auf die tags zuvor von Justizminister Wolfgang Brandstetter und Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser präsentierte Novelle. Der Bischof zeigte sich "erschüttert", wie schnell noch vor kurzem als tabu geltende bioethische "heiße Eisen" nun Gesetz werden sollen.
Durch die Zulassung einer Samenspende für die In-vitro-Fertilisation (IVF), die Eizellspende und die Präimplantationsdiagnostik (PID) würden "im Namen einer Fortschrittlichkeitsgläubigkeit" eine ganze Reihe von Problemen und Leiden, vor allem für die als Spenderinnen oft unter Druck stehenden Frauen, geschaffen, so der Bischof und gelernte Mediziner. Und Kinder, deren Recht es sei, "Vater und Mutter zu kennen und mit ihnen aufzuwachsen", würden mehr und mehr zu einem Produkt der Fortpflanzungsindustrie.
Als Ausdruck einer "fortschreitenden Fehlentwicklung" hat Bischof Klaus Küng den Entwurf für ein neues Fortpflanzungsmedizingesetz im Interview mit der Tageszeitung „Der Standard" (20. November)erneut zurückgewiesen. Die geplanten "Anpassungen" machten Kinder "immer mehr zum Produkt einer Fortpflanzungsindustrie, das man sich erwirbt oder das man verwirft, wenn es nicht passt", kritisierte der Bischof, der in der Bischofskonferenz für Bioethik- und Familienfragen zuständig ist. Er halte es für einen "sehr großen Irrtum", dass die Politik glaube, mit internationalen Entwicklungen mmithalten zu müssen.
Für "besonders schlimm" halte er bei dem Entwurf die Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (PID), trotz der vorgesehenen Reduktion auf Einzelfälle, erklärte der Bischof von St. Pölten. Es sei für die Kirche kein Argument, dass dadurch die Chance auf mehr Kinder erhöht werde: "Dafür gibt es bessere Wege", verwies Küng auf gesellschaftliche Maßnahmen wie etwa ideelle und materielle Förderungen der Familien.
"Tür und Tor" öffne die Ermöglichung der Eizellenspenden der Praxis von Leihmüttern, die eine "weltweit zu beobachtende Tendenz zu Leid und Ausbeutung von Frauen" darstelle, betonte der Bischof. Medizinische Gefahren und Risiken - Küng ist promovierter Arzt - bestünden sowohl für die Frauen, denen Eizellen entnommen werden, als auch für die Empfängerinnen, was eine aktuelle Statistik über die steigenden Frühgeburten vor der 32. Schwangerschaftswoche auch belege.
Weiters sei die Eizellenspende für die Identität des damit "erzeugten" Kindes ein Problem - in gleichem Maß wie die nun auf lesbische Paare ausgeweitete Samenspende. Küng: "Die Sorge gilt dem Kind, das den Vater nicht kennt, und nicht einmal erfährt, wenn die Mutter es nicht will. Dieses Kind kann nicht die bei Vater und Mutter, die zwischen und von Mann und Frau unterschiedliche Arten zu lieben erleben, was für die Persönlichkeitsentwicklung von großer Bedeutung ist."
Die künstliche Befruchtung (IVF), die bei allen Neuerungen impliziert ist, sei ein "Riesenproblem in der Art, wie mit Leben umgegangen wird", mahnte der Bischof: "Wie viele Fehlversuche stattfinden, davon redet man nicht." Medizinische Machbarkeits-Versprechungen würden den Druck auf Paare mit unerfülltem Kinderwunsch wesentlich vergrößern. Alternativen bestünden durchaus - wie etwa Adoption oder Pflegekinder. "Manche Ehepaare, denen kein Kindersegen zuteil wird, ziehen es vor, sich sozial zu engagieren", so Küng.
Schönborn warnt vor "Kind auf Bestellung um jeden Preis"
Die von der Regierung geplante Novelle des Fortpflanzungsmedizingesetzes führt in letzter Konsequenz dazu, dass der verständliche Kinderwunsch "Schritt für Schritt zu einem Recht auf ein Kind für jeden" wird: Darauf hat Kardinal Christoph Schönborn in der Tageszeitung "Heute" (21. November) aufmerksam gemacht und gleichzeitig davor gewarnt, dass die Rechte des Kindes durch ein so beschlossenes Gesetz auf der Strecke bleiben. "Gestern vor 25 Jahren wurde die Kinderrechtskonvention der UNO unterzeichnet", erinnerte der Vorsitzende der Bischofskonferenz. "Wer verteidigt heute das Recht des Kindes auf Vater und Mutter?" Kinder hätten Recht auf einen Vater, "nicht nur einen Samenspender".
Es sei "sicher etwas vom Schmerzlichsten", kein Kind bekommen zu können, stellte Schönborn klar, denn "auch in unserer modernen Welt ist die Sehnsucht nach eigenen Kindern nicht ausgestorben". Einst hätten Menschen, denen der Kindersegen versagt blieb, etwa an bestimmten Wallfahrtsorten im Gebet Hilfe von Gott gesucht, und "viele tun das bis heute". Mittlerweile hätten die Fortschritte der Fortpflanzungsmedizin allerdings fast jeden Kinderwunsch erfüllbar gemacht, "auch dort, wo es für die Natur früher unmöglich schien", so der Kardinal.
Genau diese Ermöglichung des Kinderwunsches für alle ist nach Schönborns Worten Ziel der "sehr liberalen" Gesetzesnovelle, die die Regierung nun "mit extrem kurzer Begutachtungsfrist" durchsetzen wolle. Man müsse hier jedoch fragen: "Kind auf Bestellung? Um jeden Preis?"
Zudem sollten dafür "fast alle bisherigen Grenzen" aufgehoben werden, kritisierte der Kardinal. Er verwies dabei auf die Inhalte der Novelle, wonach etwa Samen- und Eizellenspende von Dritten für In-vitro-Fertilisation freigegeben würde und der Begriff "Elternteil" künftig auch für lesbische Paare gelte. Selbst Samenspende für alleinstehende Frauen und das "Social Egg Freezing" seien bereits in Diskussion. "Und damit das so produzierte Kind auch sicher in Ordnung ist, sollen die im Reagenzglas hergestellten Embryonen vor ihrer Einpflanzung auch selektiert werden", wies Schönborn auf die problematischen Folgen der Präimplantationsdiagnostik (PID) hin.
In der Sonntag-Ausgabe der "Kronen Zeitung" (23. November) erneuerte der Wiener Erzbischof seine Kritik und forderte vom Gesetzgeber einen stärkeren Blick auf das Wohl von Familien und Kindern. Eine "gründliche Diskussion" über den Gesetzesentwurf sei nötig, da es "per Saldo doch darum geht, was letztlich natürlich ist".
Kapellari: "Mensch ist nicht bloß Mittel zum Zweck"
Der Grazer Bischof Egon Kapellari warnte davor, den Mensch nur als Material zu sehen und sieht die Gesellschaft in der Debatte um die Fortpflanzungsmedizin an einer "Wegkreuzung". Der Mensch sei "nicht bloß Mittel zum Zweck", betonte er im Gespräch mit der "Kleinen Zeitung" (23. November).
Kapellari warnte davor, dass im derzeitigen "Zeitalter der Grenzöffnungen, des Gleichheits- und Freiheitsrausches" nicht mehr nach dem "Preis der Freiheit" gefragt werde. "Das Glücksbedürfnis einzelner (...) ist respektabel, kann aber nicht dazu führen, dass es der Gesamtgesellschaft eine moralische Last auferlegt, die ein Übel ist", betonte Kapellari. Es gelte vielmehr mit dem Leben achtsam umzugehen, und zwar "nicht nur im Interesse dieses anderen Lebens, auch des eigenen", so der Bischof: "Es gibt eine Umweg-Unrentabilität, an der wird nicht der Egoist zugrunde gehen, der in seinen 70ern lebt, aber seinesgleichen wird dann in der nächsten Generation so nicht mehr leben können."
Horizont der Debatte um den Gesetzesentwurf sei die "Totalität des Menschen", die Frage danach, wer und was der Mensch ist. Kapellari: "Ich wünsche mir möglichst viele Leute, die sagen, der Mensch ist nicht bloß Mittel zum Zweck, auch nicht zum Zweck der Glücklichmachung von einzelnen Menschen, zum Beispiel von solchen, die ein Kind haben wollen, sondern: Der Mensch ist Selbstzweck."
Die Regierung "galoppiere" bei der nun vorliegenden Gesetzesnovelle mit unverständlich kurzer Frist, kritisierte der stellvertretende Vorsitzende der Bischofskonferenz: "Speed kills. Wir appellieren dringend, eine Entschleunigung zuzulassen, weil das, worüber abgestimmt werden soll, irreversibel sein wird."
Turnovszky: Politiker sollen Jugendliche fragen
Die geplante Liberalisierung orientiert sich nur an den Wünschen Erwachsener und lässt das Kindeswohl außer Acht. Mit dieser Kritik meldete sich Jugendbischof Stephan Turnovszky am 17. November zu Wort. Auch er warnte vor einer "überstürzten Entscheidung mit langfristigen negativen Folgen auf das Leben künstlich ins Leben gerufener Kinder und die ganze Gesellschaft". Das geplante Gesetz führe zu einer Trennung der genetischen und der sozialen Elternschaft. Schon jetzt könne man davon ausgehen, dass das bei den betroffenen Jugendlichen gerade in der sensiblen Phase ihres Erwachsenwerdens zu großen Problemen führen werde.
Verantwortungsvolle Politik müsse immer die Langzeitfolgen von Entscheidungen bedenken, betonte Turnovszky und kritisierte die kurze Begutachtungsfrist von nur zwei Wochen. "Solche Gesetze brauchen einen breiten und ernsthaften Dialog, den ich hier vermisse." Dabei sollte mehr als bisher die Expertise von Pädagogen und Psychologen und letztlich die Meinung junger Menschen herangezogen werden. "Ich ersuche unsere Politiker, Jugendliche zu fragen, ob sie es für sich selbst wünschen würden, das Produkt von fremden Ei- und Samenzellen zu sein", schlug der Jugendbischof konkret vor.
"Kinder spielen wieder einmal die letzte Rolle"
"Kinder spielen wieder einmal die letzte Rolle": Diese bittere Bemerkung machte KAÖ-Präsidentin Gerda Schaffelhofer am 18. November zum Gesetzestext. Ein Kinderwunsch sei zwar verständlich, die heutigen technischen Möglichkeiten erforderten aber sorgfältig überlegte Rahmenbedingungen, "die die Interessen aller wahren". Dass der Entwurf so knapp vor Ablauf der Frist am 31. Dezember vorgelegt wurde, könne nur als "bewusstes Ausschalten der kritischen Stimmen und Versuch, ein Gesetz an allen Einwänden vorbei möglichst rasch durchzudrücken", interpretiert werden.
Als erste hatte die überkonfessionelle "Aktion Leben" bereits am 13. November scharfe Kritik geübt. Der Entwurf der beiden Minister "bedient vor allem die Geschäftsinteressen der Fortpflanzungsmediziner und vergisst auf die Gefahren für Frauen und Kinder", warnte Präsidentin Gertraude Steindl. Die laut Regierungsentwurf erweiterte Anwendung der In-vitro-Fertilisation, die erlaubte Samenspende auch für In-vitro-Fertilisation (IVF), die Eizellspende und die Präimplantationsdiagnostik (PID) seien Techniken, die eine Vielzahl von Problemen aufwerfen, "die nach wie vor nicht ausreichend erforscht, geschweige denn gelöst sind".
Die vorgesehene Beratung über die Risiken bezeichnete Steindl als "Farce", da sie jener Arzt durchführen soll, der auch den Eingriff unternimmt. Nicht umsonst seien auf Websites von Fortpflanzungsmedizinern kaum kritische Aussagen zur Eizellspende zu finden, stellt die "Aktion Leben"-Präsidentin fest. Die Erfahrungen anderer Länder zeigten jedoch: "Je besser informiert die Frauen sind, desto weniger spenden sie Eizellen."
Auch die Interessen und Rechte der Kinder würden "sträflich missachtet". Mehr IVF bedeutete "mehr Fehlgeburten, mehr Totgeburten, mehr Frühgeburten" mit allen gesundheitlichen Folgen für die Kinder: Dass Paare mit Kinderwunsch auch in dieser Hinsicht hinreichend informiert werden, wie gesetzlich vorgesehen, ist laut Steindl "ebenfalls zu bezweifeln angesichts der bisher mehr als mangelhaften Informationspolitik".
Schattenseiten bewusst ausgeblendet
"Die Schattenseiten der Reproduktionsmedizin, die Gesundheitsrisiken und geringen Erfolgsquoten der Methoden werden in der Debatte ausgeblendet. Das ist unverantwortlich", sagte auch IMABE-Geschäftsführerin Susanne Kummer in einer Aussendung am 17. November: "Was Österreich braucht, ist eine Regelung, die das Kindeswohl schützt und auch das der Frauen vor einem zunehmend aggressiven Markt."
Aufgrund der aggressiven Vermarktung und liberaler Gesetze, die diese begünstigen, werde die künstliche Befruchtung häufig leichtfertig angewendet. Kummer verwies auf eine kürzlich vom Zentrum für Reproduktionsmedizin an der Universität Amsterdam publizierte Studie. Demnach hätten drei Viertel der Frauen, die wegen vermeintlicher Unfruchtbarkeit eine künstliche Befruchtung durchführen ließen, drei Jahre später auch auf völlig normalen Weg ein Kind bekommen. Kummer: "Hier scheinen also Marktinteressen die Beratung zu beeinflussen. So eine Medizin lehnen wir ab." Auch die ethische Grundsatzfrage, was es heißt, Embryonen herzustellen und einzufrieren, müsse neu diskutiert werden.
Am Traum vom Kind lasse sich jedenfalls gut verdienen, so Kummer weiter: Laut einem aktuellen Report des Internationalen Marktforschungsinstituts Allied Analytics LLP sei die Reproduktionsmedizin zu einer gewinnbringenden Industrie geworden: Der globale IVF-Markt lag Ende 2012 bei 9,3 Milliarden US-Dollar, bis 2020 wird er auf schätzungsweise 21,6 Milliarden Dollar ansteigen.
Alfred Trendl, Präsident des Katholischen Familienverbandes Österreichs, erklärte am 14. November im Ö1-"Mittagsjournal", ein durch Samenspende gezeugtes Kind müsse ohne seinen leiblichen Vater aufwachsen und könne ihn im besten Fall erst mit 14 Jahren kennenlernen. Zur Menschenwürde gehöre nicht nur, seine Eltern zu kennen, sondern sie auch lieben zu dürfen; "das wird diesen Kindern genommen" - und zwar von vornherein, wies Trendl auf den Unterschied etwa zu Scheidungswaisen hin.
Die Regierung will mit ihrem Entwurf das Fortpflanzungsmedizingesetz "an der Öffentlichkeit vorbei durchpeitschen", ohne dabei Gelegenheit zur nötigen breiten Diskussion zu geben: Diese Kritik äußerte mit dem Wiener Moraltheologen Matthias Beck ein Mitglied der Bioethikkommission im Bundeskanzleramt. "Bei ähnlich komplizierten Fragen am Ende des Lebens hat die Politik eine Enquetekommission ins Leben gerufen, die Bioethikkommission befasst und eine halbjährige Diskussion ermöglicht", so der Priester und Mediziner am 15. November.
Auch naturwissenschaftliche Fehler hätten sich im Gesetzestext eingeschlichen oder seien bewusst eingebaut worden, bemängelte Beck. Um noch Änderungen zu bewirken, müssten die Akteure der Gesellschaft - darunter auch die Kirchen - unverzüglich in die Debatte einsteigen und in mehreren Punkten eine Präzisierung einfordern.
Quelle: "Kathpress"