
Bischof Scheuer zu Papst Leo XIV.: Das Gegenteil von "America first"
Der neu gewählte Papst Leo XIV. repräsentiert laut dem Linzer Diözesanbischof Manfred Scheuer das Gegenteil dessen, was der gegenwärtigen US-Regierung vorgeworfen wird: Robert Francis Prevost, der als erster US-Amerikaner zum Oberhaupt der katholischen Kirche gewählt wurde, stehe für eine universale Kirche, betonte Scheuer im Interview mit der Linzer "KirchenZeitung" (Ausgabe 14. Mai). So gebe es kein "First" im Sinne eines Vorrangs für ein bestimmtes Land, "sondern die Betonung der Universalität des Glaubens und der Kirche", denn das Gebot der Nächstenliebe "endet nicht bei den Landesgrenzen".
Auffallend an den ersten Worten des neuen Papstes sei dessen "Friedenswort" gewesen sowie die Dankbarkeit für Papst Franziskus und die Betonung der Synodalität, also des gemeinsamen Weges des Gottesvolkes. Dass Papst Leo XIV. in seiner ersten Ansprache ausschließlich auf seine Erfahrungen in Peru Bezug genommen und seine US-amerikanische Herkunft nicht thematisiert habe, wertete Scheuer ebenfalls als bewusst gesetztes Zeichen. Und: "Es ist kein angemessener Zugang, Menschen nur aufgrund ihrer Herkunft in Schubladen zu stecken." Leo XIV. bringe vielfältige Erfahrungen mit - aus Lateinamerika, aus seiner Zeit als General des Augustinerordens und aus der römischen Kurie.
Auf die Rolle Europas in der Weltkirche angesprochen, warnte Scheuer vor überhöhten oder gar nostalgischen Vorstellungen. Bei Franziskus war laut Scheuer eine Art "Fremdeln" gegenüber Europa - und umgekehrt - bemerkbar. Denn: "Auch viele Europäer - sowohl sogenannte 'konservative' als auch 'fortschrittliche' - haben Franziskus nicht immer verstanden." Die Einstellung von Leo XIV. sei noch schwierig einzuschätzen: "Aufgrund seiner bisherigen Tätigkeit würde ich es ihm zutrauen, dass er sich auf Europa einlässt. Aber wir müssen uns auch damit abfinden, dass Europa nicht mehr das Zentrum der Weltkirche ist, sondern dass es viele Zentren gibt." Dennoch sei der Kontinent "der Ort, der die lange Tradition der Kirche beheimatet". Es gelte jedoch, den Blick auch auf andere Wurzeln des Christentums zu richten - etwa das Christentum in Syrien, das "eine ganz eigene Tradition" habe oder in Palästina.
Zur Namenswahl von Leo XIV. erinnerte Scheuer an bedeutungsvolle historische Assoziationen - etwa Leo I. (um 400-461), genannt "der Große", der in einer Epoche kultureller Krisen und gewalttätiger Auseinandersetzungen als ordnende Kraft gewirkt habe: "Es gelang ihm, Rom ohne Blutvergießen vor den Hunnen zu bewahren." Theologisch stehe Leo I. für das Konzil von Chalcedon (451) sowie für die "Betonung der Würde des Menschen und des Christen bzw. der Christin". Auch Papst Leo XIII. (1878-1903) sei ein Bezugspunkt, der die Kirche im 19. Jahrhundert aus einer Phase der Verengung geführt habe.
Scheuer rief erneut zum Gebet für den neuen Papst auf, das der "individuellen Person" als auch der "amtlichen Person" des Papstes gelten sollte. "Es ist klar, dass dieses Amt für jeden Menschen eine haushohe Überforderung darstellt und immer eine Mixtur aus Gelingen und Versagen ist."
Quelle: kathpress