
Neues Krautwaschl-Buch über die Macht des Vergebens
In seinem neuen Buch "Die Macht des Vergebens" beschreibt der Grazer Bischof Wilhelm Krautwaschl die heilsame Kraft des Verzeihens. Für manche Menschen dauere es ein halbes oder auch ein ganzes Leben, bis sie schwere Verletzungen vergeben könnten. Wie langwierig dies sein kann, aber auch, wie lohnenswert und wohltuend sich Vergebung anfühlt, zeichnet Krautwaschl in 13 Kapiteln nach. Das im Verlag "edition a" erschienene Werk wird der Bischof am Dienstagabend (22. April, 19.30 Uhr) in der Grazer Buchhandlung Morawa Moser präsentieren, moderiert von ORF-Journalist Erich Fuchs.
"Groll und Rachegedanken sind ein geistiges Gefängnis, Vergebung bringt uns Freiheit und ein neues Leben", so die zentrale Botschaft des Bischofs, wie er im Interview mit der Nachrichtenagentur Kathpress erläuterte. Mit den von ihm ausgearbeiteten acht Schritten der Vergebung, aufgezeigten Quellen für Gelassenheit, Impulsen und Übungen gibt Krautwaschl eine spirituelle und psychologische Anleitung für den Weg des Verzeihens - anderen, aber auch sich selbst - an die Hand.
Ein Ausgangspunkt für das Buch sowie zentrales Erlebnis für Krautwaschl war die Amokfahrt eines jungen Mannes im Jahr 2015, bei der drei Menschen in der Grazer Innenstadt getötet wurden. 36 weitere wurden zum Teil lebensgefährlich verletzt. Damals sei es ihm so schwer wie nie gefallen, für das Ereignis Worte zu finden, gestand der Bischof. Er war zu diesem Zeitpunkt erst eine Woche im bischöflichen Amt und konnte die Grazer Stadtpfarrkirche wegen der Absperrungen nur über den Hof im bischöflichen Ordinariat offenhalten. "Ich wusste damals noch nicht, wie man die Tür des Ordinariats dauerhaft offenhält und bin stundenlang beim Lichtschranken gestanden, um die Menschen hereinzulassen und ihnen Ansprechpartner zu sein", so Krautwaschl.
In einem Post auf Social Media und bei einem Gottesdienst am Tag der Amokfahrt bat Krautwaschl darum, für die Opfer und ihre Angehörigen, aber auch für den Täter zu beten. Auch für diesen sei an dem Tag eine Welt zusammengebrochen. Neben positiver Resonanz habe es auch kritische Stimmen gegeben: Wie kann man nur für so jemanden beten? "Ich kann als Seelsorger niemanden zur Vergebung zwingen oder es befehlen. Doch auch nach einer so sinnlosen und unbegreiflichen Amokfahrt müssen wir irgendwie gemeinsam mit den Verwundungen weiterleben, und ein Momentum, das Zukunft und Hoffnung ermöglicht, ist die Vergebung", legte Krautwaschl im Interview dar.
"Vergeben heißt nicht Vergessen"
Die menschliche Logik bringe oft Rachegelüste und Wut hervor, doch Genugtuung durch Rache sei nicht von Dauer, so Krautwaschl: "Wir fühlen uns danach trotzdem schlecht. Vergebung ist immer der bessere und menschlichere Weg." Menschen hätten in der Regel Grenzen, wenn es um das Vergeben geht. Doch in jedem schlummere eine göttliche Kraft, die über diese Logik hinausweise: die Vergebung. Und diese bringe die Freiheit von Hass, Wut und Schuld.
"Vergeben heißt nicht, zu vergessen oder das Schlimme, das die Opfer erlebt haben, zu verharmlosen", betonte der Bischof im Kathpress-Gespräch. Narben begleiteten ein Leben lang. Welch positive Wirkung Vergebung im Heilungsprozess für die Opfer bedeuten könne, zeigt Krautwaschl im Buch anhand von Studien, die er gemeinsam mit dem Mediziner Johannes Huber sowie dem Psychotherapeuten Hans Neuhold auswertete. Diese zeigten, "dass Menschen, denen Vergebung gelingt, gesünder, leichter und glücklicher leben". Hass, Groll, Zorn förderten hingegen seelische und körperliche Krankheiten.
"Gott liebt dich trotzdem"
Im letzten Kapitel seines Buches widmet sich Krautwaschl der Frage, warum es mindestens genauso wichtig ist, nicht nur anderen zu verzeihen, sondern auch sich selbst. "Viele gehen ungemein hart mit sich ins Gericht und schaden dadurch nicht nur sich selbst, sondern auch anderen", erzählte der Bischof im Interview über seine Erfahrungen in der Seelsorge. Die Beichte sei eine Hilfe für Menschen, nicht unversöhnt mit sich selbst und der Welt zu bleiben. "Bei Beichten habe ich immer wieder erlebt, dass den Menschen fast hörbar ein Stein von der Seele gefallen ist", schilderte Krautwaschl, der bei Beichtgesprächen immer Papiertaschentücher bei sich trägt.
Die Beichte habe aber einen schlechten Ruf, weil die Kirche das Christentum lange nicht als befreiende Botschaft, sondern als Moralgebote kommuniziert hätte. "Gott spricht, ich bin der Herr, dein Gott, der ich dich aus dem Land Ägypten, aus dem Sklavenhaus, herausgeführt hat", zitierte Krautwaschl aus der Bibel. Diese Befreiung heiße auch, alles vor Gott hinlegen zu können und sich dabei nicht als unwürdigen Menschen zu betrachten. "Ich bin auch nicht perfekt, das heißt aber nicht, dass ich zu vergessen bin. Gott liebt dich trotz deiner Fehler", so der Bischof. Bei Kinderbeichten folge er darum einer wichtigen Regel: "Ein Kind muss mindestens einmal während des Beichtgesprächs lachen können." Wer sich von Gott geliebt fühle, der könne immer wieder neu anfangen, "und diese Botschaft muss in der Gesellschaft wieder mehr Beheimatung finden".
(Buchhinweis: "Die Macht des Vergebens - Wie Vergebung unsere Seele befreit": Wilhelm Krautwaschl. Erschienen im Verlag "edition a", 224 Seiten)
Quelle: kathpress