
Politologin verurteilt "Säen von Misstrauen" gegen Demokratie
Scharfe Kritik an den von der FPÖ geschürten Gerüchten über Wahlbetrug im Zuge der Hofburgwahl hat die Kärntner Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle geübt. "Was ich dabei wirklich für verwerflich halte, ist das Säen von Misstrauen gegenüber demokratischen Prozessen", sagte die Politikwissenschaftlerin an der Fachhochschule Kärnten im Gespräch mit der Kärntner Kirchenzeitung "Sonntag" (Ausgabe 5. Juni). Zum Versuch, dem Sieg von Van der Bellen die Legitimation abzusprechen, komme noch dazu, damit auch die Volkswahl infrage zu stellen. Offenbar halte eine Partei, die immer von der "Macht des Volkes" und Volksabstimmungen spreche, "die Menschen nicht für reif genug, geheim und frei zu wählen".
Sie habe sich wissenschaftlich intensiv mit Wahlrechten auseinandergesetzt und "kenne eigentlich kein besseres als unseres - trotz aller Für und Wider", sagte Stainer-Hämmerle. "Das in Frage zu stellen, geht an die Grundfesten der Republik." Man entfremde die Menschen von den demokratischen Prozessen und bereite den Boden für autoritäre Angebote nach dem Motto: "Wir brauchen kein Parlament, wo nur lange herumgeredet wird, wir brauchen einen, der entscheidet." Parteien sollten nach Überzeugung der Politologin Personen und Gruppen ins politische System integrieren. Mit Gerüchten wie jenen von Wahlbetrug "macht man genau das Gegenteil".
Stainer-Hämmerle sieht auch ein Problem in der mangelnden politischen Bildung. Hier gebe es in Österreich einen großen Nachholbedarf. Befragt nach möglichen Beiträger der Kirchen zur Verbesserung der demokratischen Kultur meinte die Wissenschaftlerin, sie befürworte die Trennung von Kirchen und Parteipolitik. "Es ist aber wichtig, zu Grundsatzfragen Stellung zu nehmen." Von der katholischen Kirche erwartet sich Stainer-Hämmerle einen "moralischen Leitfaden" zu Themen wie dem Umgang mit anderen Meinungen, dem Stil einer Auseinandersetzung oder den Menschenrechten. "Da sehe ich eine wichtige Aufgabe." Von der Islamischen Glaubensgemeinschaft wünscht sich Stainer-Hämmerle "ein klareres Bekenntnis in Richtung Demokratie, Werte und europäischen Islam".
"Neue Bruchlinien sichtbar geworden"
Die zuletzt oft thematisierte Spaltung der Gesellschaft relativierte die Politologin: In der Zweiten Republik habe es immer ein rotes und ein schwarzes Lager gegeben, insofern sei eine Zweiteilung nicht neu. Bei der jüngsten Wahl seien freilich "neue Bruchlinien sichtbar geworden". Diese verliefen entlang der zwei Grundgefühle Pessimismus bzw. Angst vor dem sozialen Abstieg auf der einen Seite, auf der anderen stünden "die eher Zufriedenen, die an das System glauben und positiv in die Zukunft blicken".
Der Riss gehe hier mitten durch die Parteien, erklärte Stainer-Hämmerle. Von allen ÖVP-Wählern bei der letzten Nationalratswahl hätten sich diesmal 50 Prozent für Hofer und 50 Prozent für Van der Bellen entschieden. Bei der SPÖ sei dieses Verhältnis immerhin noch ein Drittel versus zwei Drittel. "Da stellt sich die Frage, wie es die Parteien schaffen, zwischen ihren Wählern Brücken zu bauen", so Stainer-Hämmerle. "In so einer Zwickmühle müssen sie erst einmal ein gemeinsames Regierungsprogramm durchbringen. Das stelle ich mir schwierig vor."
Die Regierungsparteien müssten nach dem "heilsamen Schock" des ersten Wahlganges um die Bundespräsidentschaft bis zur nächsten Nationalratswahl erst einmal wieder Vertrauen schaffen. "Wir werden sehen, wie lange die Harmonie zwischen Kern und Mitterlehner halten wird. Entscheidend wird sein, dass die beiden Hoffnung, ein positives Zukunftsbild vermitteln können", legte Stainer-Hämmerle dar.
Quelle: kathpress